27
Jan
2007

Erinnerungen

Ich kann euch nichts von gestern abend berichten, da ich nicht zum Nachtdienst gegangen bin, weil es mir nicht gut ging.
Weil ich jedoch geschrieben habt, dass euch alle möglichen Geschichten interessieren, werde ich mal nach und nach ein paar Geschichten aus der Vergangenheit erzählen...

Es war einmal ein junger Polizeimeister namens Steel....
Ich habe gerade die Ausbildung abgeschlossen und während die meisten meiner Klassenkameraden in eine Hundertschaft, zum Flughafen oder zum Objektschutz kommen, werde ich direkt in den Einzeldienst versetzt. Ich bin 22 Jahre alt und werde von nun an in einer Großbehörde in der sog. Altstadtwache Streifendienst versehen.
Der Anfang ist nicht einfach. Die Dienstgruppe ist ein handfester Haufen und blickt skeptisch auf den wohlerzogenen Jungen, der mit guten Noten von der Schule kommt und bei gemeinsamen Kneipenbesuchen nach dem Dienst eine Cola bestellt, während alle anderen einheitlich Bier trinken.
Weil ich immer freundlich zu den Leuten bin, sind die Kollegen nicht sicher, ob ich vielleicht feige bin und sie bei einer Schlägerei im Stich lassen würde. Sie behandeln mich ordentlich, aber distanziert.
Eines abends bin ich mit einem Kollegen zu Fuß unterwegs und wir werden in ein Bistro geschickt. Jemand will dort seine Zeche nicht begleichen. Es ist Wochenende, wir haben Nachtdienst. Das Bistro ist rappelvoll. Unser Kandidat sitzt auf einem Hocker am Tresen. Er hält die Arme verschränkt und blickt uns trotzig entgegen. Kollege Richard spricht ihn an, ich stelle mich sichernd daneben, so dass wir ein Dreieck bilden. Plötzlich schiebt sich ein schlanker, hochgewachsener junge Mann vor mich. Ich kann weder den mutmaßlichen Zechpreller noch Richard sehen. Der junge Mann schaut mich böse an und sagt irgendwas zu mir. Ich verstehe ihn nicht, murmele nur "Ja, ja...schon gut." und schiebe ihn sanft zur Seite, damit ich Richard und den Zahlungsunwilligen wieder im Blick habe. Dieser sagt gerade etwas protestierend und ich fixiere ihn, als plötzlich die Menge laut wird und ich hektische Bewegungen aus dem Augenwinkel wahrnehme.
Richard und der Lange, der mich angequatscht hatte, liegen auf dem Boden und kämpfen miteinander. Der große Typ gewinnt die Oberhand und stößt Richard von sich. Ohne zu überlegen mache ich einen Satz und stürze mich auf den Mann. Ich sehe nur noch die Füße der Leute, die an den Bistrotischen sitzen, den Kachelboden und den wütenden Mann unter mir, der nach mir schlägt und tritt.
Ich bin empört. So was. Zweimal stoße ich schnell mit dem rechten Ellenbogen zu. Die Bewegungen sind schnell, aber nicht hart. Der Kopf des Mannes ruckt zweimal zur Seite und stößt auf den Boden. Seine Gegenwehr erlischt. Er wendet mir sein Gesicht wieder zu. Seine Nase blutet und sein eines Auge ist geschlossen und schwillt an. Ich bin erschrocken. Shit - war ich das etwa!?
Wir fordern einen weiteren Streifenwagen an. Die Kollegen müssen sich um den Zahlungsunwilligen kümmern, Richard und ich nehmen unseren Boxgegner mit zur Wache.
Er sieht schlimm aus. Er hat das Blut aus seiner Nase verschmiert und sein Auge ist bös geschwollen. Ich habe irgendwie einen Kloß im Magen. Das wollte ich doch nicht. Die ganze Zeit schimpft und flucht er. Er sei Kellner und so könne er nicht arbeiten. Das sei alles meine Schuld. Ich müsse ihm den Arbeitsausfall ersetzen. Ich schweige.
Auf der Wache sitze ich mit Richard am PC und schreibe mit ihm die Anzeige gegen den Mann. Johlend betreten zwei Kollegen den Raum: "Ey, Richard...whooo. Wat haste denn mit dem Typen gemacht, der da vorne sitzt? Der sieht ja aus..."
Richard winkt ab. "Nee, das war ich nicht. Steel hat den so vermacht."
Überrascht blicken die Kollegen mich an. "Ey, Alter... Richtig so." Einer klopft mir anerkennend auf die Schulter.
Ich fühle mich schlecht. Die Anerkennung stößt mich ab. "Ja, ja... Wir müssen jetzt noch schreiben."
Ich überlege die ganze Zeit, was da eigentlich passiert ist. Was ist, wenn der Mann mich jetzt anzeigt? Ich wollte ihn doch gar nicht so zurichten. Ein alter Obermeister, dem ich schüchtern meine Gedanken mitteile, winkt gelassen ab. "Das ist ein Vollproll und er ist besoffen. Er hat euch angegriffen und hat ein paar auf die Fresse gekriegt. Das wird er schon verstehen, wenn er wieder nüchtern ist."
Ich bleibe unsicher. Als ich morgens nach dem Dienst im Bett liege, sehe ich immer wieder sein zerschlagenes und blutiges Gesicht vor mir. Das war das erste Mal, das ich mich von jugendlichen Raufereien abgesehen, richtig geschlagen habe.
Ich habe nicht fest geschlagen. Es waren der Kachelboden und mein Ellenbogen, die unglücklich zusammen gewirkt haben.
Die Anerkennung der Kollegen macht mich wütend.
Die Beschuldigungen des blutenden Mannes gehen mir immer wieder durch den Kopf.

Abends ist wieder Nachtdienst. Mit einem unguten Gefühl betrete ich die Wache. Einer der Kollegen ist schon da. "Ey, Steel. Der Typ von heute nacht war gerade hier."
Mein Magen ist ein Eisblock. Ich wusste, dass das ganze ein Nachspiel haben wird.
"Er hat nach Dir gefragt und wollte sich entschuldigen. Ihm sei klar, dass Du die Anzeige gegen ihn nicht nicht zurückziehen kannst, aber er wollte loswerden, dass ihm sein Verhalten peinlich ist. Er hofft, dass Du nicht mehr sauer auf ihn bist."
ER hat sich ENTSCHULDIGT. Ich setze mich hin. Willkommen in der Realität, junger Mann...
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Aus dem Alltag eines Polizisten

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