3
Mai
2010

Gut oder kalt?

Hallo, liebe Leser. Könnte euch jetzt erzählen, wie es mir die letzten Wochen ergangen ist und was ich so gemacht habe. Aber, da einige das nur als Ausreden fürs Nichtbloggen bewerten, spare ich mir das ... :-)

Einen Dialog habe ich heute auch nicht für euch, nur ein paar Gedanken, die mir vorgestern im Dienst in den Sinn kamen.

Ich gab einen Einsatz heraus. Ganz ruhig, sachlich, routiniert. "12/31 fahrt mal *Adresse*. Die Dame von der häuslichen Pflege hat dort in der Wohnung ein Ehepaar gefunden. Sie liegt tot im Bett, er hat sich scheinbar im Badezimmer erhängt."
"Verstanden", sagt der Funker des 12/31. Ganz ruhig, sachlich, routiniert.

Bei so vielen Situationen sind wir ruhig und routiniert. Verlieren nicht die Nerven, wissen, was zu tun ist. Reden zu Hause noch nicht mal drüber, weil es für uns eine Alltagssituation ist/ war. Für viele Normalsterbliche wäre es wahrscheinlich eine Thema für mindestens eine Woche, wenn sie zwei Leichen wie oben beschrieben gefunden hätten.

Beruflich gesehen ist das gut. Wir müssen auch bei Katastrophen ruhig und planvoll bleiben, sonst bräuchten die Leute uns gar nicht rufen. Auch im Privatleben ist das oft von Vorteil. Ich kann mich an keine Krisensituation erinnern, in der ich überfordert war oder die Nerven verloren habe. Sehr praktisch.

Aber wie steht es um die Menschlichkeit? Wieviel Coolness ist gut? Ab wo verliert man Mitgefühl und Empathie? Das erste Mal stellte ich mir diese Frage, als ich mit einem Freund und zwei jungen Frauen in einer berüchtigten Altstadt unterwegs war. Biologisch waren wir alle Anfang 20. Aber ich war wohl schon ein ganzes Stück älter als die drei anderen ... Alle aus wohlbehütetem Elternhaus, gerade das Abi hinter sich. Auf der Straße kam es zu einer Schlägerei. Eine Brille flog auf den Gehweg, Blut spritzte. Automatisch setzten sich meine Beine in Bewegung. Ich hob die Brille auf, sprach kurz mit einem Verletzten und der alarmierten Polizei. Anschließend ging ich zu meinen Freunden zurück. Ich war ruhig und in guter Stimmung, wollte gerne weiter ziehen. Meine Freunde waren jedoch geschockt, wollten einfach nur schnell nach Hause. Ich konnte sie damals nicht verstehen. Es war uns doch nichts passiert, wir waren ja gar nicht beteiligt!? Aber ich hatte damals solche Situationen jedes Wochenende mehrfach ... Während die meisten meiner Freund studierten, sprach ich mit vergewaltigten Frauen, kümmerte mich um Obdachlose mit offenen Geschwüren, prügelte mich mit aggressiven Menschen, die zu viel Alkohol genossen hatten und wurde von wohlhabenden Menschen, die meine Eltern hätten sein können um Hilfe in Notsituationen gebeten. So etwas beschleunigt den Reifeprozess immens - aber es macht auch kälter ...

Versteht ihr, was ich meine?
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Aus dem Alltag eines Polizisten

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