12
Jan
2007

Angespannt

Ich bin müde, gelangweilt und ein wenig leer. Anrufe wie dieser strengen mich an und nerven mich.
Ich weiss gar nicht, ob ihr meine Gereiztheit bei dieser Dame nachvollziehen könnt. Sie hat das ja sicher alles gut gemeint.

"Polizeinotruf."
Ein weibliche Stimme. Geschätzt auf ca. 45 Jahre. "Guten Tag. Ich habe da mal eine Frage...!"
"Ja, bitte. Fragen Sie."
"Ich habe eben beobachtet, dass ein PKW ein Reh angefahren hat. Das Reh ist dann aber weiter in den Wald gelaufen. Wen muss ich jetzt anrufen, was soll ich tun?"

"Also Sie sind aber nicht am Unfall beteiligt!?"
Entrüstet, dann triumphierend. "ICH? Nein, nein. Aber ich habe es gesehen!"
"Und was ist mit dem PKW, der an dem Unfall beteiligt ist?"
"Ja, die Leute haben angehalten und geschaut, ob sie einen Schaden am PKW haben."
Boah, Frau. Jetzt spul mal vor. "Ja, und haben Sie mit den Leuten gesprochen?"
"Nein, nein. Ich bin weiter gefahren. Wollen Sie vielleicht meinen Namen notieren, für die Versicherung?"
Was stellt die Frau sich vor? "Ich? Nein, möchte ich nicht."
"Okay. Was machen wir jetzt wegen des Rehs?"
Seufz. "Es ist weitergelaufen, richtig!?"
Hartnäckig. "Ja, aber vielleicht hat es sich verletzt!"
Ausatmen. "Ja, vielleicht... Man könnte den Jagdausübungsberechtigten anrufen und ihm Bescheid sagen."
Zufrieden. "Ja, das ist gut. Können Sie mir vielleicht die Nummer sagen?"
Das war ja klar. "Dann brauche ich die genaue Unfallstelle. Die Jagdausübungsberechtigten haben alle bestimmte Bezirke."

Grübelnd. "Hm...tja...das war irgendwo zwischen M-Stadt und R-Stadt."
Klar. Das ist präzise. "Geht es ein wenig genauer?"
"Ja, wissen Sie, wo früher mal der alte Hühnerhof war?"
Tief atmen. Es vergehen ein paar Minuten mit der Suche nach dem Unfallort. Ich gebe ihr die Nummer von einem JAB. Ich hoffe, es ist der richtige.

So, das wars jetzt. Schnell verabschieden und auflegen.
Denkste. Nicht mit ihr.
"Ach, wo ich Sie gerade am Telefon habe..."
NEEEEEINNNN. Geh weg. Bitte.
Kläglich "Ja?"
"Also in unserem Garten, da habe ich letztens Eierschalen gefunden."
Ich bin überarbeitet. "Ja, und jetzt?"
"Naja, und unser Gartentor neben dem Häuschen - das war beschädigt."
Einsilbig. "Hm."
Enthüllend "Und eine halbe Scheibe Brot habe ich auch gefunden!!!"
Ich sollte Spezialeinheiten anfordern. "Hm... Also isst jemand unberechtigt in Ihrem Garten!?"
Unsicher. "Ich weiss nicht. Könnte auch sein, dass die Schalen von einem Vogelei waren."
Ich will nach Hause. "So, so."
Pfiffig. "Aber wissen Sie - `93 wurde schonmal bei uns eingebrochen."
Alles klar. Das ist der Hammer. 14 Jahre später kehrt der Täter an den Ort des Verbrechens zurück, macht ein Gartentor kaputt, um Brot und Eier zu essen. Ich telefoniere mit Miss Marple.

"Ahso, ja."
"Soll ich da mal irgendwann vorbeikommen, um Anzeige wegen des Tors zu erstatten."
"Hm.. Nee, das sollten die Kollegen sich besser mal anschauen. Ist ja ein TATORT, nicht wahr!?"
Glücklich. "Wunderbar. Wann haben Sie Zeit? Nächste Woche irgendwann?"
Jetzt muss ich doch lächeln. "Die Kollegen kommen dann gleich, so in einer Viertelstunde ungefähr."
Das Leben ist schön. "Ach, das ist ja toll. Wie gut, dass ich sie angerufen habe..."
Hm, hm...joa, finde ich auch. Mehr oder weniger...

Gut, dass ich nächste Woche frei habe. Muss meine Geduldreserven ein wenig auftanken.
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Aus dem Alltag eines Polizisten

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